Digitale Medien in der Schule

Kopierter Text darf nicht veröffentlicht werden.

Die Bildungsreferentin der Initiative D21 Jana Kausch über die Bedeutung digitaler Medien für die Schule

„Kreidefrei ist keine Weiterentwicklung“

16.04.2015

Es mangelt an digitaler Bildung, die Gesellschaft spaltet sich in einen digitalisierten Teil und einen Teil, der von den Vorteilen ausgeschlossen ist – sagen CDU und SPD. Die Regierungsfraktionen haben deswegen einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Medienkompetenz soll gefördert werden, die digitale Spaltung überwunden werden. Woran es in Schulen fehlt und ob Medienbildung das Allheilmittel sein kann, darüber hat Klaas Mucke mit Jana Kausch gesprochen, Bildungsreferentin der Initiative D21.

Frau Kausch, Technik kann doch jedes Kind. Lernen Lehrer in Sachen digitaler Medien unter Umständen nicht viel besser von den Schülern als umgekehrt?

Jana Kausch:

Schon Kita-Kinder haben Kontakt mit digitalen Medien und wischen auf den Tablets ihrer Eltern herum. Ich muss niemandem erklären, wie so ein Gerät an- oder ausgeht oder wie es zu bedienen ist. Aber es ist wichtig, dass es Räume gibt, wo man Kindern und Jugendlichen einen bedachten und souveränen Umgang damit vermittelt.

Viele Kritiker sagen: Gerade weil Jugendliche in ihrer Freizeit so viel von Technik umgeben sind, muss das in der Schule nicht auch noch sein.

So eine bewahr-pädagogische Haltung finde ich schwierig. Ich muss den Kindern irgendwann auch einmal Grenzen aufzeigen und sagen: Pass mal auf, nutze die Medien gut, nutze sie schlau – und wenn du Apps herunterlädst, dann schau auch mal, welche Berechtigungen die einfordern. Dafür zu sensibilisieren, das ist wichtig. Ich glaube, selbst vielen Erwachsenen ist gar nicht klar, welche Spuren sie im Netz hinterlassen.

Ganz ohne Medien wird es in der Schule also nicht mehr gehen?

Wir entwickeln uns immer mehr zu einer digitalisierten Gesellschaft. In beruflichen und privaten Zusammenhängen kommen wir ohne digitale Hilfsmittel nicht mehr aus – seien es das Smartphone, der Laptop oder das Tablet. Und wenn es überall vorausgesetzt wird, dass ich diese Technologien nutze, dann muss ich an irgendeiner Stelle auch dazu befähigt werden.

Rechnen, Schreiben und Lesen lernen reicht also nicht mehr aus?

Nein, denn was nützt mir jemand, der ein Fachgebiet absolut beherrscht, aber letzten Endes nicht weiß, wie er über neue Technologien kommunizieren oder sich mit anderen kollaborativ austauschen kann? Die Entwicklung schreitet so schnell voran – wenn man da nicht auch die Bildung anpasst, dann hat Deutschland irgendwann ein Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit, weil Fachkräfte fehlen.

In den Kultusministerien der Bundesländer ist das Wort Medienbildung häufig zu hören. Weshalb braucht es noch einen Antrag der Bundesregierung, der digitale Bildung fördern will?

Seit 20 Jahren wird Medienbildung in der Schule von der Kultusministerkonferenz der Länder gefordert. Aber es geht nur langsam voran. Der Bund kann die Länder zu nichts zwingen, weil Bildung Ländersache ist. Vielleicht kann man dahin kommen, dass die Länder sich untereinander stärker auf Rahmenbedingungen einigen können – beispielsweise mit einem Länderstaatsvertrag.

Wie könnten solche Rahmenbedingungen denn aussehen?

Medienbildung funktioniert nur dann, wenn drei Voraussetzungen geschaffen worden sind: Die Verankerung in Aus- und Fortbildungen von Lehrern sowie die Verankerung im Lehrplan und die technische Ausstattung. Es ist zu kurz gedacht, nur eine große Ausstattungskampagne zu fahren. Einige Länder haben viel Geld in die Ausstattung der Schulen mit interaktiven Whiteboards gesteckt. Wenn ich keine Fortbildungen mitdenke, um die Lehrer fit zu machen, oder nicht für Inhalte sorge, um zu zeigen, wie es den Unterricht verbessert, dann bringt es nur wenig. Man muss feststellen, dass die Technologie bei Weitem nicht so genutzt wird, wie es möglich wäre.

Die Bildungsreferentin der Initiative D21 Jana Kausch über die Bedeutung digitaler Medien für die Schule

„Kreidefrei ist keine Weiterentwicklung“

16.04.2015 0 Kommentare

Es mangelt an digitaler Bildung, die Gesellschaft spaltet sich in einen digitalisierten Teil und einen Teil, der von den Vorteilen ausgeschlossen ist – sagen CDU und SPD. Die Regierungsfraktionen haben deswegen einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Medienkompetenz soll gefördert werden, die digitale Spaltung überwunden werden. Woran es in Schulen fehlt und ob Medienbildung das Allheilmittel sein kann, darüber hat Klaas Mucke mit Jana Kausch gesprochen, Bildungsreferentin der Initiative D21.

2 9 3
33050724_l.jpg

33050724_l.jpg

Frau Kausch, Technik kann doch jedes Kind. Lernen Lehrer in Sachen digitaler Medien unter Umständen nicht viel besser von den Schülern als umgekehrt?

Jana Kausch:

Schon Kita-Kinder haben Kontakt mit digitalen Medien und wischen auf den Tablets ihrer Eltern herum. Ich muss niemandem erklären, wie so ein Gerät an- oder ausgeht oder wie es zu bedienen ist. Aber es ist wichtig, dass es Räume gibt, wo man Kindern und Jugendlichen einen bedachten und souveränen Umgang damit vermittelt.

Viele Kritiker sagen: Gerade weil Jugendliche in ihrer Freizeit so viel von Technik umgeben sind, muss das in der Schule nicht auch noch sein.

So eine bewahr-pädagogische Haltung finde ich schwierig. Ich muss den Kindern irgendwann auch einmal Grenzen aufzeigen und sagen: Pass mal auf, nutze die Medien gut, nutze sie schlau – und wenn du Apps herunterlädst, dann schau auch mal, welche Berechtigungen die einfordern. Dafür zu sensibilisieren, das ist wichtig. Ich glaube, selbst vielen Erwachsenen ist gar nicht klar, welche Spuren sie im Netz hinterlassen.

Ganz ohne Medien wird es in der Schule also nicht mehr gehen?

Wir entwickeln uns immer mehr zu einer digitalisierten Gesellschaft. In beruflichen und privaten Zusammenhängen kommen wir ohne digitale Hilfsmittel nicht mehr aus – seien es das Smartphone, der Laptop oder das Tablet. Und wenn es überall vorausgesetzt wird, dass ich diese Technologien nutze, dann muss ich an irgendeiner Stelle auch dazu befähigt werden.

Rechnen, Schreiben und Lesen lernen reicht also nicht mehr aus?

Nein, denn was nützt mir jemand, der ein Fachgebiet absolut beherrscht, aber letzten Endes nicht weiß, wie er über neue Technologien kommunizieren oder sich mit anderen kollaborativ austauschen kann? Die Entwicklung schreitet so schnell voran – wenn man da nicht auch die Bildung anpasst, dann hat Deutschland irgendwann ein Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit, weil Fachkräfte fehlen.

In den Kultusministerien der Bundesländer ist das Wort Medienbildung häufig zu hören. Weshalb braucht es noch einen Antrag der Bundesregierung, der digitale Bildung fördern will?

Seit 20 Jahren wird Medienbildung in der Schule von der Kultusministerkonferenz der Länder gefordert. Aber es geht nur langsam voran. Der Bund kann die Länder zu nichts zwingen, weil Bildung Ländersache ist. Vielleicht kann man dahin kommen, dass die Länder sich untereinander stärker auf Rahmenbedingungen einigen können – beispielsweise mit einem Länderstaatsvertrag.

Wie könnten solche Rahmenbedingungen denn aussehen?

Medienbildung funktioniert nur dann, wenn drei Voraussetzungen geschaffen worden sind: Die Verankerung in Aus- und Fortbildungen von Lehrern sowie die Verankerung im Lehrplan und die technische Ausstattung. Es ist zu kurz gedacht, nur eine große Ausstattungskampagne zu fahren. Einige Länder haben viel Geld in die Ausstattung der Schulen mit interaktiven Whiteboards gesteckt. Wenn ich keine Fortbildungen mitdenke, um die Lehrer fit zu machen, oder nicht für Inhalte sorge, um zu zeigen, wie es den Unterricht verbessert, dann bringt es nur wenig. Man muss feststellen, dass die Technologie bei Weitem nicht so genutzt wird, wie es möglich wäre.

Zum Beispiel?

An vielen Schulen geht die Technik schon wieder kaputt oder es hängen Zettelchen daneben, wo drauf steht: Bitte nicht mit Edding dranschreiben. Oft dauert es Lehrern zu lang, bis die Computer hochgefahren sind, mit denen die Whiteboards verbunden sind. Wenn sie es nutzen, dann rudimentär – dann zeigen sie ein PDF oder ein Video. Da erkenne ich nicht den Mehrwert einer solchen Technologie. Es geht eben nicht um den Einsatz von Technologie um jeden Preis, sondern darum, sie dort einzusetzen, wo es auch wirklich sinnvoll ist und den Unterricht ergänzt.

Was wären denn Beispiele für einen sinnvollen Einsatz?

Die Technologie vereint heute so viele Geräte in einem einzelnen – und bietet Kindern dadurch die Möglichkeit, einen niedrigschwelligen Zugang zu ganz verschiedenen Dingen zu bekommen. Zum Beispiel können sie Kompositionen erstellen und fotografieren. Es gibt aber auch die Möglichkeit, die Geräte untereinander zu vernetzen, um Schüler miteinander in den Unterricht einzubinden. Was nützt mir ein Whiteboard, das vorne hängt und das wieder nur der Lehrer bedient? Richtig spannend wird es doch dann, wenn ich das Whiteboard mit den einzelnen Geräten der Schüler kopple – sei es ein Laptop oder ein Tablet.

Was wäre der Vorteil?

Dann kann ich sagen: Paul, komm, was du gemalt hast oder was du fotografiert hast, das zeigen wir mal vorne, damit es für alle sichtbar ist. Dann hat man eine ganz andere Beteiligung von Schülern, und man kommt weg vom Frontalunterricht. Ich glaube, dadurch kann die Unterrichtsqualität gesteigert werden.

Wenn Schule nach diesem Ideal funktionieren würde, sehen wir dann dem Ende der Kreidezeit entgegen?

Nein. Wenn ich analoge Prozesse nur durch digitale ersetze, dann leistet Technik nichts. Und dann verstehe ich auch die Argumente derjenigen, die sagen: Das bringt alles keinen Mehrwert. Dann ist es nur teuer und aufwendig. Wenn ich die Betitelung höre: Schule XY wird nun endlich kreidefrei, dann ist das für mich keine wirkliche Weiterentwicklung. Die Technik ist doch nur ein weiteres Hilfsmittel, was man klug eingesetzt nutzen kann und dann auch zu vollkommen neuen Anwendungsbeispielen führt – zu Dingen, die ich vorher nicht machen konnte.

Damit würden Sie auch denjenigen Wind aus den Segeln nehmen, die sich um die Feinmotorik ihrer Kinder sorgen, weil sie nur noch auf Tablets herumpatschen.

Da muss ein ganz schnelles Ende der Schwarz-Weiß-Malerei her. Es geht doch nicht darum, zu sagen: Entweder digital und nur noch wischen – oder analog und kneten. Es muss ein gesundes Nebeneinander entstehen. Ich kann doch die Weiterentwicklung einer Technologie nicht ignorieren, weil ich Angst davor habe.

Die Ängste sind aber oft nicht nur technischer Natur, sondern es gibt auch Unklarheiten bei Lehrern, auf welche Weise sie genutzt werden darf – zum Beispiel: Ist eine Facebook-Gruppe für den Deutsch-LK erlaubt? Wie sollten sich Lehrer verhalten?

Solche Ängste sind nachvollziehbar. In der Regel gibt es schulinterne Beschlüsse, nach denen sich Lehrer richten können. Oft ist es aber eine Frage der Ausbildung – es gibt noch keine flächendeckenden Aus- und Fortbildungen für Lehrer auf diesem Feld, die für solche Fälle sensibilisieren. Es muss aber Rahmenbedingungen geben, in denen sich Lehrer sicher bewegen können.

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass alle Unklarheiten technischer wie rechtlicher Natur am Ende beseitigt sind und die Technik nach Ihren Vorstellungen Einzug in die Schule erhält?

Eine Entwicklung, die ich positiv sehe, ist, dass die ersten Länder Medienbildung in ihren Lehrplänen festlegen. Dass sich zunehmend auch der Bund dem Thema digitale Bildung widmet, dem sehe ich mit großer Spannung entgegen. Und wenn der Bund und die Länder nun noch zueinanderfinden und auch noch die Lehrer fit gemacht werden, dann kann das eine gute Sache werden.

http://www.weser-kurier.de/startseite_artikel,-Kreidefrei-ist-keine-Weiterentwicklung-_arid,1102552.html